Blendle: Die schönste Paywall Deutschlands
Kennen Sie Blendle? Nein, dann sollten Sie das bitte schnell ändern, denn Blendle ist genial: Noch nie war es so einfach, gute Artikel aus unterschiedlichen deutschen und internationalen Medien auf Tablet, Smartphone oder im Browser zu kaufen und dann zu lesen. Die Idee und die Umsetzung sind so bestechend einfach, dass es irgendwie peinlich ist für die Branche, dass ein kleines Startup aus den Niederlanden hinter Blendle steckt. Naja, Geldgeber sind inzwischen unter anderem die New York Times und der Axel-Springer-Verlag.
So funktioniert Blendle
Das Prinzip ist einfach: Einmal angemeldet – selten so einen schönen Anmelde-Prozess erlebt – kann man in den Artikeln von dutzenden Ausgaben von nationalen, internationalen und regionalen Zeitungen und Zeitschriften blättern und Texte mit nur einem Klick kaufen. Für jeden Text hat der Verlag einen Preis festgelegt, der beim Anklicken des Artikels berechnet wird. Der Clou: Ist man von dem Text enttäuscht, kann man ihn mit zwei Klicks wieder zurückgeben und bekommt das Geld wieder gutgeschrieben. Der zweite Clou: Entscheidet man sich nach dem Kauf eines Artikels zum Kauf der kompletten Ausgabe, bekommt man den Kaufpreis des Artikels angerechnet. Und wenn man einzelne Artikel im Wert einer Ausgabe gekauft hat, wird die komplette Ausgabe freigeschaltet. Klingt banal, aber warum ist darauf bisher niemand gekommen?
Übrigens: Den Preis eines Artikels legt der jeweilige Verlag fest und bekommt dann 70 Prozent der Erlöse. 30 Prozent bleiben bei Blendle. Die Aufteilung kennen App-Entwickler seit Jahren von Apple.
Die ganze Oberfläche von Blendle ist aufgeräumt und schick: Die Liste der Artikel erscheint mit kleinem Teaser und der eigentliche Artikel wird in einem Spalten-Design angezeigt. Auf Wunsch kann man Artikel für später speichern (ohne sie zu kaufen) oder direkt nach dem Kauf in Pocket speichern (mein Pocket-Erklärstück finden Sie hier) bzw. in den Sozialen Netzen teilen. Auch das ist praktisch, denn wie oft sieht man bei Facebook oder Twitter, dass Leute einen Print-Artikel abfotografieren oder einscannen, um ihn mit Freunden zu teilen.
Zum Start in Deutschland hat Blendle nicht nur eine schicke Website, sondern auch schöne Apps für iOS und Android, die für die Nutzer kostenfrei sind.
Nützliche Artikel-Empfehlungen
Um die Flut an Artikeln zu überblicken, setzt Blendle eigene Redakteure und externe Kuratoren wie den Guardian-Digital-Chef Wolfgang Blau oder die Wiwo-Chefredakteurin Miriam Meckel ein, die auf Blendle Texte empfehlen.
Bei der Anmeldung wählt man ein oder mehrere Themen (Politik, Wirtschaft, Tech, Medien …) aus, die einen besonders interessieren. Diese kann man fortan direkt ansteuern. Darüber hinaus kann man recht einfach Alerts setzen und so zum Beispiel Artikel zu einem bestimmten Begriff sofort angezeigt zu bekommen.
Wie erfolgreich ist Blendle?
Blendle ist zunächst in seinem Heimatland Niederlande gestartet und dann im Sommer in Deutschland an den Start gegangen. Inzwischen hat man nach eigenen Angaben rund 500.000 User in Deutschland und der Dienst wächst viermal schneller als im kleinen Nachbarland. Derzeit wird offenbar ein Start in Frankreich vorbereitet.
Selbst Medien-Kritiker wie Stefan Niggemeier und Christian Jakubetz sind begeistert: „Selten war ich von einer Idee so angetan“, schreibt Jakubetz in seinem Blog.
Den Erfolg von Blendle kann man aus meiner Sicht auch daran messen, dass Meedia.de-Datenexperte Jens Schröder seit ein paar Wochen jeden Mittwoch eine Liste der meistgelesenen Beiträge auf Blendle veröffentlicht.
Und wo ist der Haken?
Natürlich gibt es auch bei Blendle Haken: Mich beschleicht bei der Nutzung immer das ungute Gefühl, schon wieder einen Artikel gekauft zu haben, den ich auf der Website des Titels kostenfrei bekommen hätte. Das Gefühl verstärkt sich, weil ich meine bestehenden Online-Abos (Rheinische Post, Die Welt) bisher nicht in Blendle aktivieren kann, um dann auf die Beiträge dieser Titel kostenfrei zugreifen zu können. Als jemand, der hauptberuflich selbst an solchen Themen arbeitet, habe ich aber vorerst Verständnis dafür, dass solche Anbindungen an bestehende Abo-Datenbanken technisch nicht so einfach sind.
Update (7. Dezember 2015): Michaël Jarjour (@derjarjour), Senior Editor bei Blendle Deutschland, hat auf Twitter schnell reagiert und versichert, dass man a) gerne mehr Verlage anbinden wolle, damit dort abgeschlossene Abos bei Blendle berücksichtigt werden und b) es vermeidet, Artikel zu empfehlen, die es anderswo (also auf der Website) kostenfrei gibt.
@SimonHurtz @sbrinkmann @BlendleDE Ist uns superwichtig, das so schnell wie möglich für mehr Titel verfügbar zu machen!
— Michaël Jarjour (@derjarjour) 7. Dezember 2015
Update (21. Januar 2017): Blendle gibt aktuell Neu-Kunden kein Startguthaben. Ich habe den Beitrag entsprechend aktualisiert.
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2 Responses to “Blendle: Die schönste Paywall Deutschlands”
Die Artikel sind ja hochwertig und intressant. Wobei ich noch nicht geprüft habe, ob man die anderswo gratis bekäme.
Aber über eines hab ich mich richtg geärgert: Klickt man auf einen Artikel, hat man ihn auch schon gekauft – ohne jede Bestätigung etc. Ich hab gerade beim Ausprobieren aus Versehen danebengeklickt – schon ist das Geld weg.
Kleinvieh macht auch Mist – das sind zwar nur Centbeträge, aber dennoch einfach unseriös. Und ja, ich weiß, dass man den Artikel zurückgeben kann… unseriös ist’s trotzdem.
Diese „Sofort-Kaufen“-Funktion muss man beachten, aber im Alltag finde ich die sehr praktisch, weil ich eben nicht mehrere Schritte brauche, um den Text zu kaufen. Und wenn man aus Versehen klickt, schließt man den Artikel sofort wieder und bekommt das Geld auch wieder gut geschrieben. Und auch nach den ersten Sekunden kann man einen Text ja zurückgeben. Also, ich war im ersten Moment auch skeptisch und fand das frech, aber letztlich ist es sehr benutzerfreundlich.