So verifizieren Sie Bilder und Videos aus Facebook, Twitter und Google Plus
Passiert irgendwo auf der Welt ein Unglück tauchen binnen Minuten Nachrichten, Fotos und Videos auf Facebook und Twitter auf. Für Journalisten sind diese Fotos und Videos eine Bereicherung für die Berichterstattung. Aber sind die Bilder und Videos echt? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie viele Fragen stellen und die richtigen Tools einsetzen.
Als Journalist sollte die Beobachtung von Twitter und Facebook auch an normalen Tagen zur Routine gehören. Mit Programmen wie Tweetdeck (mein Erklärstück finden Sie hier) können Sie sehr leicht bestimmte Begriffe oder Tweets von einzelnen Personen mitlesen und sich benachrichtigen lassen, wenn ein neuer Beitrag erscheint. Auch die im folgenden genannten Recherche-Tools sollten Sie sich anschauen, bevor der Ernstfall eintritt. Viele Redaktionen haben eine Checkliste entwickelt, um Bilder und Videos aus Sozialen Netzen zu überprüfen. Was draufsteht, erklären sie unter anderem in dem lesenswerten „Verification Handbook„, das vom European Journalism Center in Maastricht kostenfrei zum Download angeboten wird. „Benutzen Sie Social Media wie den Polizeifunk“ schreibt Anthony De Rosa, Chefredakteur der App cir.ca in seinem Beitrag für das genannte Buch. Was er damit meint? Man findet in sozialen Netzen viele Hinweise, aber letztlich sollten sie immer nur Ausgangspunkt für Recherchen sein.
1. Schritt: Kontaktaufnahme mit dem User
Wenn Sie auf Twitter (für Einsteiger: Meine Twitter-Starthilfe) oder Facebook ein Bild oder ein Video finden, sollten Sie direkt Kontakt mit dem User aufnehmen. Gut, wenn er ihnen auf Twitter folgt, denn dann können Sie ihm eine nicht-öffentliche Direktnachricht schicken. Ansonsten öffentlich antworten und die eigene Telefonnummer und oder E-Mail-Adresse posten – auch wenn Konkurrenten diese öffentliche Antwort sehen können. Auch sollte man dem User sofort auf Twitter folgen, um ihm so die Möglichkeit zu geben, einem selbst eine Direktnachricht zu schicken.
Katie Hawkins-Gaar (@katiehawk), Leiterin des iReporter-Teams von CNN, empfiehlt in einem Youtube-Interview den Griff zum Telefon, weil man im direkten Gespräch viel besser Fragen stellen und die Antworten bewerten kann:
- Wo stand die Person, als sie das Foto machte?
- Hat sie noch mehr Material? Nach ihrer Erfahrung hat ein Augenzeuge immer mehr als ein Bild gemacht. Wird die Frage verneint, gibt das auf der Glaubwürdigkeitsskala Punktabzug.
- Wie hat sich die Person in der Situation gefühlt?
- Mit welcher Kamera wurde die Aufnahme gemacht?
- Wo ist die Person jetzt? Ist sie bereit, ein Foto vom aktuellen Aufenthaltsort zu schicken, um die Angabe zu überprüfen?
Viele dieser Informationen lassen sich anschließend überprüfen: Mit Google Maps und Google Streetview kann man schauen, ob die Person vom genannten Standort das Foto machen konnte. Und mit einem kostenfreien Web-Tool wie regex.info/exif.cgi oder fotoforensics.com zum Auslesen der Metadaten einer Foto-Datei lässt sich überprüfen, ob die genannte Kamera wirklich benutzt wurde.
Im Gespräch kann man die Person auch fragen, ob sie mit einer Veröffentlichung des Bildes bzw. Video auf einer Nachrichten-Seite einverstanden ist. Nach der Veröffentlichung kann man der Person auf Twitter oder Facebook öffentlich danken und den direkten Link zum Bericht anhängen. Der User freut sich und teilt diesen Beitrag sicher mit seinen Freunden.
Während man auf den Anruf des Users wartet, kann man sein Profil und sein Foto oder Video überprüfen.
2. Schritt: Wie glaubwürdig ist der Twitter- oder Facebook-Account?
Idealerweise kennt man den User, der auf Twitter oder Facebook ein Foto oder Video gepostet hat. Ist das nicht der Fall, helfen folgende Fragen:
- Ist der Account von Twitter oder Facebook verifiziert worden? Er bekommt dann einen blauen Haken. Wurde der Account nicht gehackt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Nachricht wirklich von der betreffenden Person stammt.
- Was hat die Person vorher gepostet und von wo? Ergibt sich ein stimmiges Bild?
- Welche Freunde (Facebook) bzw. Follower (Twitter) hat der User? Vielleicht findet sich dort ein gemeinsamer Bekannter, der die Existenz und Glaubwürdigkeit des Users bestätigen kann.
- Seit wann existiert der Twitter-Account? Je älter, desto besser. Twitter zeigt diese Information unter dem Foto des Users auf der Profilseite.
- Wenn im Profil eine Website genannt wird: Gibt es diese Seite? Sieht sie seriös aus? Passen die persönlichen Angaben auf der Website zu den Angaben im Twitter- oder Facebook-Profil?
- Wann wurde das Bild bzw. Video gepostet? Je kürzer nach dem Ereignis, desto wahrscheinlicher ist, dass die Person live dabei war.
- Finden Sie die Person in anderen Netzen wie Xing, Linkedin, Pinterest? Wer aktiv in sozialen Netzen ist, hat mehr als einen Account.
Wenn Twitter-User die Nachricht eines anderen Users erneut posten (zu deutsch: retweeten), dann muss das nicht heißen, dass die ursprüngliche Nachricht echt ist. Selbst der Screenshot eines Tweets kann mit Tools wie http://lemmetweetthatforyou.com/ (derzeit nicht erreichbar!) gefälscht werden.
3. Schritt: Wie glaubwürdig ist das Bild oder Video?
Während man weiter auf den Anruf des vermeintlichen Augenzeuges wartet, kann man mit der Überprüfung des Bildes bzw. des Videos beginnen. Hierbei helfen folgende Fragen:
- Deckt sich der Bild-Hintergrund mit dem, was Google Maps oder Google Streetview zeigen?
- Ist das Foto eine Kopie? Mit Werkzeugen wie der Google-Bildersuche (die auch rückwärts suchen kann, wenn man ein Bild hochlädt) oder Diensten wie Tineye.com kann man nach ähnlichen Bildern im Netz suchen. Die Bilder-Rückwärtssuche kann auch bei Videos Sinn machen, wenn Sie nach Ausschnitten aus dem Video suchen oder das angezeigte Thumbnail überprüfen.
- Kann es sein, dass das Foto zwar echt ist – aber an einem anderen Tag aufgenommen wurde? Solche älteren Bilder tauchen immer wieder in den Sozialen Netzen auf und werden dann als echt, aber veraltet klassifiziert.
- Stimmt das Wetter auf dem Bild mit der Vorhersage des betreffenden Tages überein? Die Frage lässt sich mit der Suchmaschine Wolframalpha.com beantworten. Die in englisch zu formulierende Frage lautet: „How was the weather in XX on XXX“.
- Gibt es andere Fotos oder Videos, die das selbe Ereignis zeigen? Hier kann die App „Pixifly“ helfen, mit der man Instagramm-Bilder auf einer Karte angezeigt bekommt.
- Wurde das Video von anderen Usern auf Youtube gepostet? Hier hilft es, einen Teil der URL eines Bildes auszuschneiden und bei Twitter danach zu suchen. Ein Beispiel: Auf Youtube ist das Video unter https://www.youtube.com/watch?v=HYwcT-9fvKs zu sehen. Suchen Sie nach HYwcT-9fvKs auf Twitter um zu sehen, ob exakt dieses Video schon einmal gepostet wurde. (Nebenbei: Das Video zeigt einen Lufthansa-First-Class-Flug, amüsant erzählt).
- Enthält das Video ein Logo? Wenn ja, ist es dauerhaft und stets an der selben Stelle zu sehen? Fehlt es in einigen Szenen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass Video-Material aus verschiedenen Quellen zusammengeschnitten wurde.
- Wenn Sie auf Youtube nach anderen Videos zu diesem Ereignis suchen, sollten Sie die Ergebnis-Liste nach Upload-Datum sortieren, um die erste Version des Videos zu finden.
Absolute Sicherheit gibt es nicht
All die Fragen und Tools geben keine hundertprozentige Sicherheit – aber sie helfen, die Glaubwürdigkeit zu vergrößern oder auch nicht. Letztlich ist es wie mit jeder Quelle: Eine Portion Skepsis kann nicht schaden.
Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht zu kritisch sein: Viele User posten Bilder und Videos auf Twitter und Facebook, um sie ihren Freunden zu zeigen. Verteilen sie eine Falsch-Information, dann passiert dies nicht zwingend in böser Absicht.
Hier können Journalisten dann ihre Kernkompetenz ausspielen und die Glaubwürdigkeit einer Quelle prüfen sowie eine zweite Quelle suchen, die das Gezeigte bestätigen kann.
Weitere Quellen zum Thema
Bei der Recherche zu diesem Beitrag habe ich sehr viele nützliche Seiten entdeckt, die sich mit der Überprüfung von Inhalten für eine journalistische Veröffentlichung beschäftigen. Hier einige Tipps, wenn Sie tiefer einsteigen wollen:
- Verification Handbook, European Journalism Center
- Dreiteilige Serie „Verifikation von Inhalten in Social Media“ von Konrad Weber
- „How to verify information from tweets: Check it out“ von Steve Buttry
- Youtube-Interview mit Katie Hawkins-Garre, Leiterin des iReporter-Teams von CNN.
- Dutzende weitere Beiträge und Tools finden Sie auf http://stearns.wordpress.com/2013/03/18/verifying-social-media-content-the-best-links-case-studies-and-discussion/.
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