Newsgames: Was ist das und wie erstellt man sie? (Gastbeitrag)
Johanna Daher (@JohannaDaher) studiert derzeit den Master „Medien- und Spielekonzeption“ an der Hochschule Harz in Wernigerode. Nebenbei arbeitet sie seit Februar 2018 als freie Mitarbeiterin in der Online-Redaktion des MDR SACHSEN-ANHALT. Ihr Volontariat absoliverte die heute 25-Jährige bei der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA). In ihrer Masterarbeit entwickelt sie in Kooperation mit der HNA ein eigenes Newsgame.
Ob via Bote, Zeitung, Radio, Fernsehen, Online oder Push-Mitteilung: Es gibt viele Wege, eine Nachricht zu vermitteln. Weniger bekannt sind die so genannten Newsgames, also Spiele für den Journalismus, die eine Nachricht erlebbar machen. Was das genau ist und welche Tools dafür benötigt werden, zeigt dieser Artikel.
2001 entwickelte der Uruquayer GonzaloFrasca mit „Kabul Kaboom“ das erste Newsgame überhaupt. Dabei muss der Spieler einen Charakter steuern, der mit seinem Mund Hamburger aus der Luft auffangen muss. Gleichzeitig fallen von oben Bomben herunter, denen er ausweichen muss. Mit diesem Spiel kritisiert Frasca die US Army, die im Afghanischen Krieg die zur selben Zeit aus ihren Fliegern Bomben und Essen abwarf. Seither haben vereinzelte Medienverlage und Personen diese journalistischen Spiele entwickelt, wie die New York Times mit „You fix the budget“ (2010) oder Journalism++ mit „DieGuten, die Bösen und die Buchhalter“ (2017). In Deutschland war Journalist Marcus Bösch mit „PRISM – The Game“ (2013) der erste. Er thematisiert dabei die NSA-Daten-Affäre und spielt mit der Anzahl der Daten, die von überall auf den Spieler zugeflogen kommen.
Was machen Newsgames aus?
Newsgames wollen informieren und ernsthafte Inhalte vermitteln, allerdings auf eine spielerische, interaktive Weise. Sie dienen dabei nicht nur der Unterhaltung, sondern können als Ergänzung für das digitale Storytelling gesehen werden. Denn via Games lassen sich komplexe Systeme leichter greifbar machen. Gleichzeitig sprechen sie emotionale Aspekte beim Leser an, dem die darin thematisierte Problematik dadurch in Erinnerung bleibt.
Dabei eignen sich manche Nachrichten besser, als andere. Zum Beispiel können komplexe Sachverhalte, wie der Staatshaushalt, anhaltende Diskussionen, wie der Umgang mit Daten oder emotionale Ereignisse, wie Naturkatastrophen, umgesetzt werden. Kurzweilige Nachrichten oder solche ohne eine gewisse Tiefe und weitgreifende Bedeutung eignen sich nicht. In der Umsetzung als Spiel kann die Vermittlung der News optisch und von den Mechaniken ganz unterschiedlich aussehen. Professor und Game-Designer Ian Bogost hat sich in seinem Buch „Newsgames – Journalism at Play“, dem bisherigen Standard-Werk zum Thema, detaillierter damit beschäftigt.
Was wird zur Entwicklung benötigt?
Je nach Spiel, das entwickelt werden soll, werden unterschiedliche Programme benötigt. Allen voran braucht der Entwickler aber definitiv eine sogenannte „Game-Engine“. Das ist ein Tool, in dem alle Teile des Spiels zusammengefügt und teilweise sogar angelegt werden. Am weitverbreitetsten sind hier „Unity“ und „Unreal“. Der Entwickler muss programmieren können: bei Unity vor allem mit der Sprache C#, bei Unreal mit C++. Beide haben eine große Community mit vielen hilfreichen Erklärvideos. Es empfiehlt sich deshalb, den Code auf Englisch zu schreiben, da so bei Fragen mehr Personen helfen können. Je nachdem, wie viel Geld beispielsweise mit dem Spiel erzielt wird, kosten die Programme etwas. Das ist aber erst ab höheren Tausenderbeträgen der Fall. Deshalb können sie, gerade für erste Versuche, kostenlos genutzt werden.
Neben dem Hauptprogramm werden weitere benötigt. In allen Spielen kommt ein Design/Kunst vor – sei es auf der Oberfläche an sich (dem User-Interface), bei den Charakteren, Objekten oder der Umgebung. In der Game-Engine gibt es kostenlose Komponenten, die genutzt werden können. Um aber wirklich die eigenen Vorstellungen umsetzen zu können, empfiehlt sich, abhängig vom Art-Stil und den persönlichen Präferenzen, ein Zeichenprogramm wie „Photoshop“, „Illustrator“ oder „Clip Studio Paint“. Weitere Tools hängen von der Art des Spiels ab. Soll es 3D sein? Dann kann beispielsweise „Cinema 4D“, „Maya“, „Blender“ oder „ZBrush“ sinnvoll sein. In diesen Programmen können auch Animationen erstellt und anschließend in die Game-Engine importiert und dort verknüpft werden. In „Unity“ und „Unreal“ können auch eigene Animationen realisiert werden. Die sind dann aber nicht so umfangreich möglich, wie mit einem dafür eigens entwickelten Tool. Als netter Bonus können auch Sounds und Musik hinzugefügt werden. Dabei ist es auch hier dem Entwickler überlassen, ob er Free-Sounds aus dem Internet nutzt oder eigene erstellt, beispielsweise mit „Adobe Audition“, „Audacity“ oder „Ableton Live“.
Newsgames sind Team-Work
Sollte das gesamte Newsgame-Projekt innerhalb der Redaktion keine One-(Wo)Man-Show werden, wird im Team daran gearbeitet. In Game-Studios gibt es deshalb die Rolle des Projekt-Managers. Er verwaltet die Aufgaben, verschafft sich einen Überblick, motiviert die Mitglieder und erinnert an die Deadlines.
Ob Newsgames in Redaktionen einziehen werden? Nach und nach, ja. Denn natürlich braucht es erst einmal die Expertise seitens der Mitarbeiter, diese Spiele umzusetzen. Gleichzeitig sind Newsgames aber auch „Leuchtturm“-Projekte, die nach außen zeigen, was im Journalismus noch möglich ist. Natürlich werden sie die bekannte, traditionelle Nachrichten-Vermittlung nicht verdrängen. Das wollen Newsgames auch gar nicht. Sie wollen eine zusätzliche digitale Storytelling-Möglichkeit sein. Wie seit Beginn 2001 deutlich wird: Immer öfter wird mit ihnen rumexperimentiert. Eine besondere Möglichkeit, den eigenen Rezipienten die Themen in vielleicht ungewohnter, aber spannend-spielerischer Weise zu präsentieren.
One Response to “Newsgames: Was ist das und wie erstellt man sie? (Gastbeitrag)”
[…] Anmerkung: Für Sebastian Brinkmanns Homepage „Journalisten-Tools.de“ habe ich einen Gastbeitrag zum Thema „Newsgames“ geschrieben. Dort erkläre ich euch, was das ist und welche Tools ihr benötigt um ein solches Spiel für den Journalismus zu entwickeln (Artikel: „Newsgames: Was ist das und wie erstellt man sie? (Gastbeitrag)“). […]